Christoph Herrmann ist Chef-Bundestrainer Herren im Deutschen Golf Verband. Die DGL-Redaktion hat mit dem 57-jährigen Münchner über die Entwicklung der Deutschen Golf Liga, das Final Four, die erfolgreiche Verzahnung der Verbände und mehr gesprochen.
Frage: Servus Herr Herrmann, wo erreichen wir Sie gerade?
Christoph Herrmann: Hallo, ich bin gerade in Irland bei der Herren-Team-Europameisterschaft im wunderschönen Killarney. Wir kämpfen und versuchen in den letzten Tagen der Meisterschaft noch alles für eine gute Platzierung der deutschen Herren-Nationalmannschaft zu tun, was möglich ist.
Frage: Was steht am 2./3. August in Ihrem Kalender?
Christoph Herrmann: Ich glaube, dass sich schon die gesamte deutsche Leistungsgolf-Szene und alle Sportinteressierten sehr auf das nationale Golf-Highlight im Golfclub München-Riedhof freuen. An diesem Wochenende ist das Final Four. Die vier besten deutschen Damen- und Herren-Clubteams ermitteln die Deutschen Meister 2025. Da bin ich natürlich dabei - zum zweiten Mal am Sonntagnachmittag auch als Kommentator der Sky-Übertragung. Diesmal gibt es das spannende Finale sowohl bei Sky als auch im Live-Stream auf deutschegolfliga.de und auf Sport1. Das hohe Zuschauerinteresse im letzten Jahr hat die Medienschaffenden motiviert, das Engagement weiter auszubauen – großartig.
Frage: Seit 2013 gibt es die Deutsche Golf Liga. Wie sehen Sie die Entwicklung der DGL in dieser Zeit hinsichtlich des Niveaus vor allem im spielerischen Bereich?
Christoph Herrmann: Die DGL war von Anfang an schon durchaus niveauvoll. Erfolgreiche Topspielerinnen wie Sophia Popov, Leonie Harm oder Protagonisten wie Nicolai von Dellingshausen, Max Kieffer und etwas später auch Matti Schmid und Alex Försterling waren Stars der ersten Stunde und sind später Olympioniken und Toursieger geworden. Die Leistungsdichte speziell bei den absoluten Spitzenclubs hat seither weiter zugenommen und das zielgerichtete, immer professioneller strukturierte Training, das heute selbstverständlich ganzjährig gestaltet wird, hat dem deutschen Leistungsgolf insgesamt einen großen Schub gegeben. Esther Henseleit war jahrelang Teil der erfolgreichen Falkensteiner Damenmannschaft, bevor sie mit ihrer Silbermedaille in Paris quasi zum Symbol der Vision Gold wurde, die sie beinahe gar zur Realität werden ließ und für die die DGL als Eckpfeiler stand und steht. Die Entwicklung an der Spitze ging dabei stets weiter und weiter, sodass sich die Zuschauer auch 2025 auf exzellentes, nationales Spitzengolf auf durchaus internationalem Niveau und ganz sicher erfolgreiche deutsche Profis der Zukunft freuen können. Als Verantwortliche erhoffen wir uns dabei natürlich auch Auswirkungen auf positive Entwicklungen im Nachwuchs und im Unterbau - auch in den niedrigeren Liga-Ebenen. Ohne Breite keine Spitze und umgekehrt.
Frage: Die DGL wird immer jünger. Wie beurteilen Sie die Möglichkeiten, die die DGL sehr jungen, ambitionierten Talenten bietet?
Christoph Herrmann: In Vereinen, die in allen Altersklassen auf Top-Niveau spielen, gilt es sicher, ein wenig Acht zu geben auf die jungen Spitzentalente. Wer in mehreren Jugendmannschaften im Club, dazu in der Damen- oder Herrenmannschaft auf Landes- und DGL-Ebene antritt, für seinen LGV den Jugendländerpokal spielt und vielleicht sogar noch in der Nationalmannschaft ist und dann eventuell auch noch Team-EMs bestreitet, der muss sicher gut beraten und begleitet werden, um die Ansprüche, die alle an diese Athleten richten, mit den eigenen Entwicklungs- und Karriereinteressen auch als Einzelspielerin oder Einzelspieler zusammenzubringen. Hier gilt es, dass die für Leistungssteuerung verantwortlichen Funktionäre und Trainer wirklich den Spieler oder die Spielerin im Mittelpunkt sehen. Das fällt angesichts der investierten Fördergelder oder nachvollziehbarer Eigeninteressen manch einem schwer. Grundsätzlich bietet die DGL aber einen spannungsgeladenen, sportlichen Wettkampf über einen großen Saisonabschnitt. Es wird sehr kompetitiv gespielt. Man muss sich zunächst in die Teams qualifizieren und dann unter Druck performen. Dabei lernt der Nachwuchs vieles, was sich im täglichen Range-Training nicht simulieren lässt. Diesbezüglich hat die DGL unschätzbaren Wert für unsere Nachwuchscracks.
Frage: Inzwischen coachen zahlreiche, ehemalige Tour-Spielerinnen und Tour-Spieler sowie Teacher of the Year DGL-Teams - nicht nur in den 1. Bundesligen. Wie haben sich das Ausbildungslevel und die Zahl der Bewerber zum Fully Qualified PGA Professional in den vergangenen Jahren entwickelt und wie sehr beeinflusst das das Niveau bzgl. Coaching der DGL-Teams auch in tieferen Ligen?
Christoph Herrmann: Die Zahl der Auszubildenden in den Berufsoptionen als Teaching Professional der PGA of Germany hat sich erfreulicherweise wieder stabilisiert. Einige ehemalige Topspieler sind den Weg in den Trainerberuf bereits erfolgreich gegangen. Mit Nicole Gögele und Esther Poburski verstärken seit diesem Jahr auch zwei ehemalige Tourspielerinnen das Golf Team Germany als Bundestrainerinnen. Jüngst gibt es auch vermehrt Absolventinnen und Absolventen der PGA-Ausbildung, die herausragende DGL-Akteure waren, wie zum Beispiel Anastasia Mickan oder Constantin Unger. Die erfahrenen Toptrainer und Teacher of the Year der Vergangenheit wie Heiko Burkhard, Ian Holloway oder Christian Lanfermann haben immer auch in der DGL Akzente mit ihren Teams gesetzt und darüber hinaus an exponierter Position Impulse in die PGA- oder auch DGV-Trainerausbildung gegeben. Das Coaching von Top-Teams lebt auch von Erfahrung. Dass hier solche Erfahrungen weitergegeben werden, tut dem Gesamtniveau der deutschen Golftrainerschaft gut. Golf ist als olympischer Leistungssport noch jung und Lernen daher stets geboten.
Frage: Einige Namen haben Sie genannt. Nicolai von Dellingshausen, Yannik Paul, Nick Bachem bei den Herren, Esther Henseleit, Alex Försterling und Helen Briem bei den Damen – alle haben eine DGL-Vergangenheit und sind inzwischen Tour-Champions. Was kann die DGL jungen, ambitionierten Golferinnen und Golfern auf dem Weg zum Tour-Pro geben bzw. vermitteln?
Christoph Herrmann: Der Leistungssport hat seine zentralen Tugenden. Harte Arbeit zahlt sich aus; ich muss etwas tun, um besser zu werden. Wer hinfällt, steht wieder auf, denkt vielleicht kurz nach und versucht es erneut. In der Emotion des Mannschaftssports findet Entwicklung deutlich katalysiert statt. Genau das erleben die jungen Spielerinnen und Spieler erst in ihren Jugendteams, dann in der DGL und manche auch beim LGV oder in der Nationalmannschaft. Die hiervon ausgehende Motivation hält die Spieler auch nach Rückschlägen oder Misserfolgen im Sport. Der Weg an die Spitze ist im mannigfaltigen Anforderungsspektrum unseres Sportes lang und erfordert Leidensfähigkeit und Opferbereitschaft. In der Gemeinschaft der Teams steckt hierfür eine gewaltige Energiereserve.
Frage: In welchem Zusammenhang stehen das stetig professioneller werdende Coaching in der DGL mit der Vision Gold des Deutschen Golf Verbandes? Wie konkret steht es um die Verzahnung zwischen den Clubs, den Verbänden und dem Team Germany?
Christoph Herrmann: Ohne eine gelungene Verzahnung und intensive Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Stabsstellen im Förderreigen der Nachwuchsspielerinnen und -spieler ist eine erfolgreiche Entwicklung erschwert. Alle Beteiligten sind hierzu verpflichtet. Das ist allenthalben mehr als deutlich erkannt und der Wille, die Möglichkeit und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit sind gerade auch durch die DGL viel besser geworden. Sie bleibt täglich kommunikative Herausforderung - auch hier gilt es stets, den Spieler im Mittelpunkt wahrzunehmen und seine Entwicklung gemeinsam voranzutreiben, ohne das Phasen entstehen, in denen viele am Spieler zerren, aber in unterschiedliche Richtungen und Fortschritt somit ins Stocken gerät.
Frage: Wo steht die DGL als Ligasystem im europäischen Vergleich? Gibt es anderswo überhaupt ähnlich große Formate?
Christoph Herrmann: Das Liga-Format ist eine Systematik, um die uns, ohne Übertreibung, ganz Europa beneidet. Das erforderliche Zusammenwirken der Clubs und Verbände gelingt anderswo so nicht. Insbesondere das im Saisonverlauf wiederholte Aufeinandertreffen von Teams auf vergleichbarem Niveau auf unterschiedlichen Plätzen ist weitgehend beispiellos. Darauf können wir durchaus stolz sein.
Frage: Was waren ihre bislang emotionalsten Momente mit der Deutschen Golf Liga?
Christoph Herrmann: Oh, da habe ich persönlich viele. Unvergesslich war für mich das erste Final Four in Winston 2013 mit dem legendären Flutlichtstechen. Ich war damals Trainer der Damen des Münchener Golfclubs und wir konnten im Stechen die Favoritinnen aus St. Leon-Rot schlagen, mit denen ich im Vorjahr Deutscher Meister war. Das Ding werde ich nie vergessen und immer wenn ich die Bilder und Videos sehe oder jemanden aus diesem Team treffe, dann denke ich sofort an diesen Abend in Winston. Emotion pur - das verbindet. Jetzt habe ich ja emotional etwas Abstand, weil ich kein DGL-Team mehr betreue. Als „Reporter“ am Start zu sein, ist für mich aber auch sehr spannend. Ich fiebere wirklich mit den Spielern und Trainerkollegen mit.
Frage: Wie erzählen Sie noch nicht golfenden Freunden, warum sie das Final Four unbedingt einmal erlebt haben sollten?
Christoph Herrmann: Ich bin ungern als Missionar unterwegs. Wer die bekannten Vorurteile gegen Golf hat, wird sich nicht überzeugen lassen. Wer aber eine Spur Offenheit für unseren großartigen Sport hat und wo sich möglicherweise bereits ein wenig Neugier durch die Skepsis kämpft, der kann beim Final Four durch das nachvollziehbare Matchplay-Format und die mit ihm verbundene Action hochattraktiven Golfsport erleben. Die Emotionen in den Wettkämpfen zwischen den Teams übersteigen sicher die üblichen Erwartungen an unseren sonst eher leisen Sport. Zusehen beim Golf ist wohl nirgends attraktiver.
Frage: Sie sind Münchner und haben drei Tage vor dem Final Four am Riedhof 58. Geburtstag. Wie und mit wem wird der gefeiert und welche Verbindungen gibt es noch zur bayerischen Landeshauptstadt?
Christoph Herrmann: Sie sind unfassbar gut informiert - das schmeichelt mir und gibt mir beinahe ein Gefühl von Prominenz, das ein Trainer in der medial wohl noch immer am Rand stehenden Sportart Golf eher nicht kennt. Aber das ändert sich ja gerade. Die Stadt, in der man geboren ist, bleibt immer von irgendeiner emotionalen Bedeutung. Mein Bruder lebt noch in München und ein paar Freunde habe ich auch noch dort. Ich liebe die Berge und bin daher immer gerne auch mit meiner Familie da, der ich immer wieder erfolgreich die Schönheit meiner Ursprungsumgebung nahebringe, auch wenn wir heute gerne in der Heimat meiner Frau im Münsterland leben. Die Frage ist insofern ein Volltreffer, als dass ich mit meiner Familie meinen Geburtstag in meinem Geburtstagsgeschenk, einem kleinen Wohnwagen, am Staffelsee verbringen werde. Mehr Heimat im Vorfeld des Final Four geht nicht. Ich freu mich riesig drauf.
Frage: Im Vorjahr holten die Damen aus Hamburg und die Herren aus St. Leon-Rot Gold beim Final Four. Ihr Tipp: Welche Mannschaften machen in diesem Jahr das Rennen? Wer sind die Favoriten?
Christoph Herrmann: Das ist sehr schwer vorherzusagen. In der Vergangenheit gab es wirklich teilweise große Überraschungen. Das macht das Final Four aus. Eine sehr starke Saison spielen erneut die Damen aus St. Leon-Rot, die wohl eine große Chance haben werden, ins Finale einzuziehen. Die amtierenden Meisterinnen aus Hamburg haben keine ganz makellose Spielzeit und müssen sich am letzten Spieltag in Berlin mit den heimstarken Wannseerinnen und auch noch Ian Holloways Hubbelratherinnen batteln, um zu beweisen, dass es auch 2025 wieder über Falkenstein geht. Und wer möchte eigentlich Stuttgart mit der deutschen Überfliegerin Helen Briem unterschätzen, von der wir hoffen, dass sie dabei sein kann. Bei den Männern spricht die Papierform für ein gigantisches Endspiel zwischen dem Deutschen Meister St. Leon-Rot und den Herren aus Hubbelrath - also eine Neuauflage des Vorjahresfinales. Hubbelrath ist gespickt mit Nationalspielern und will es dem Branchenprimus sicher viel schwerer machen, als es 2024 letztlich gelungen ist. Zunächst müssen beide aber ihre Hausaufgaben machen. Die DGL-Spezialisten aus Hösel und die starken Münchner Herren sind absolut im Stande, jede kleinste Schwäche zu nutzen und ihrerseits einen Final-Four-Coup zu landen. Es wird in jedem Fall ein bemerkenswertes Golf-Ereignis.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Thomas Kirmaier. Zur Verfügung gestellt von der Deutschen Golf Liga.
29 Jul 2025
Herren-Bundestrainer Christoph Herrmann war schon beim ersten Final Four der Deutschen Golf Liga dabei. (Foto: DGV/stebl)